In einem Schreiben an Landrat Dr. Brechtel beziehen wir wie folgt Stellung:
Sehr geehrter Herr Landrat Dr. Brechtel,
demnächst stehen in diversen Kreisgremien wie dem Ausschuss für Wirtschaft und Verkehr (07.10.10), dem Kreissausschuss (11.10.10) und dem Kreistag (25.10.10) Entscheidungen zu dem o. g. Thema an. Dieser Weichenstellung messen wir von der SPD-Fraktion eine hohe Bedeutung bei.
Unser Ziel ist ein integriertes ÖNV-Konzept für den Kreis Germersheim. Der Erfolg einer verbesserten Stadtbahn ist untrennbar von einem leistungsfähigen Buskonzept abhängig, damit auch die Orte abseits der Stadtbahnstrecke partizipieren können. Es ist wichtig, den Einschnitt, den der Start der Stadtbahn auch im Bewusstsein der Bevölkerung darstellt, zu nutzen, um Änderungen im Mobilitätsverhalten hin zur verstärkten Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel zu fördern. Aus unserer Sicht sollten wir mit der Botschaft starten, dass es einen attraktiven Verbund zwischen Schiene und Straße gibt, gerade auch in den Gemeinden ohne Bahnanschluss.
Vor dem o. g. Hintergrund haben wir über die uns bisher vorgelegten Infos beraten und sind zu folgenden Kritikpunkten gekommen:
1. Bis heute verfügen wir über keinerlei Berechnung, wie die bisher genannten Kostenschätzungen kalkuliert sind. Zudem fehlen detaillierte Angaben wie sich die Kosten entsprechend dem Karlsruher Modell auf die einzelnen Gemeinden aufteilen würden. Es wundert uns deshalb nicht, dass auf Basis völlig unzureichender Daten und Fakten von den Gemeinden keine umfassenden und differenzierten Stellungnahmen und Meinungsbilder – vor allem mit Blick auf die Kostenentwicklung - abgegeben werden konnten. Viele von Ortskenntnis geprägten Hinweise der Gemeinden und deren Räte zeigen, dass weder Variante 1 (angeblich ohne zusätzliche Kosten) noch Variante 2 (angeblich 600.000 € höhere Kosten als Variante 1) eine optimale Anbindung darstellen. Stellvertretend nennen wir hier nur einige Beispiele, die weitergehende Anforderungen enthalten:
• Minfeld, Freckenfeld, Erlenbach sowie Westheim Lustadt, Weingarten (verbesserte Angebote am Wochenende bzw. zum Berufsverkehr)
• Zeiskam (bessere Anbindung nach Bellheim)
• Schwegenheim (generelle Anbindung an die S-Bahn Lingenfeld und Anbindung Obere Waldäcker)
Die Eingrenzung der Diskussionen auf die beiden von Ihnen genannten Varianten halten wir deshalb für nicht zielführend. Zudem wurde für die Verbandsgemeinden Hagenbach und Lingenfeld nur eine Variante vorgestellt und diese war geprägt von Verschlechterungen.
2. Mit dem bisherigen Prozess, der den Ortsgremien und im besonderen Maße den Kreisgremien ungenügende Informationen und viel zu knappe Beratungszeit einräumt, sind wir äußerst unzufrieden. Im Prinzip bräuchten wir jetzt eine zweite Diskussionsrunde in diesen Gremien, in der auf Grundlage der eingegangen Hinweise und Forderungen ein möglichst optimales Konzept entwickelt wird.
3. Außerdem kritisieren wir, dass weder Eltern noch Schulen an dem Prozess beteiligt waren, obwohl der Schülertransport 85 Prozent des Busverkehrs ausmacht und die Beteiligung gesetzlich vorgeschrieben ist. Neben einer zeitlich guten Vertaktung mit den Fahrtzeiten der Stadtbahn müssen die Busverkehre mindestens gleichberechtigt auf die Anfangs- und Endzeiten der Schulen abgestimmt werden. Zudem müssten aufgrund geänderter Fahrtzeiten in den Schulen neue Zeiten für Unterrichtsbeginn und -ende erarbeiten werden, was in der Regel eine gewisse Zeit in Anspruch nimmt.
Für die SPD ist es unakzeptabel, dass Busse morgens noch früher fahren, um die Stadtbahnanschlüsse sicher zu stellen und in Folge dessen SchülerInnen noch länger
als bisher vor den Schulen auf den Schulbeginn warten müssen (Bsp: Bellheim oder Zeiskam). Auch hier werden Nachbesserungen benötigt.
4. Wir wünschen uns ein solidarisches Konzept. Dazu sei angemerkt, dass im Kreis alle beim Stadtbahnprojekt über die Kreisumlage mitbezahlen. Dass gemäß Ihrer Variante 2 nunmehr abseits der Strecke liegende Ortsgemeinden für einen “vermeintlichen Luxus“ einer Busanbindung bezahlen sollen, erscheint uns ungerecht und unsolidarisch.
5. Fachleute sind sich einig, dass zum Neustart eines Verkehrsprojektes gute Angebote stehen müssen, da potenzielle Nutzer zu diesem Zeitpunkt ihre Entscheidung treffen. Nach einer gewissen Zeit aufzustocken, ist für uns der falsche Weg. Für die SPD-Fraktion gilt der Grundsatz: Mit einem attraktiven Angebot beginnen, das Mobilitätsverhalten beobachten und dann ggfls. nachsteuern. Wir fordern Sie deshalb auf, bis zur Sitzung des Ausschusses Wirtschaft und Verkehr am 07.10.2010 ein differenziertes, zukunftsfähiges Konzept vorzulegen. Um uns auf die Sitzung vorbereiten zu können, wäre es wünschenswert, die Unterlagen bereits mit der Sitzungsvorlage zu erhalten. Wir appellieren an Sie, soweit noch möglich auf die in unserem Schreiben genannten – sowie auf die folgenden Punkte einzugehen:
− verbesserte Angebote im Wochenendverkehr (vor allem im Bereich der Verbandsgemeinden Kandel, Hagenbach und Lingenfeld)
− verbesserte Anbindung der Gemeinden in der VG Lingenfeld an die S-Bahn in Lingenfeld
− Mitbetrachtung alternativer Bedienformen in Schwachlastzeiten. Hierbei geht man in Fachkreisen davon aus, dass die Kosten gegenüber einem Linienbus nur etwa ein Drittel ausmachen.